Hybride Rechnungen: Fluch oder Segen?

Ulrike Linde, Strategien für die digitale Gesellschaft















Eine hybride Rechnung besteht aus einer Bild-Repräsentanz (beispielsweise PDF) sowie einer Daten-Repräsentanz (beispielsweise XML). Beide Repräsentanzen sind in einer physischen Datei enthalten. Nach der vom FeRD vertretenen Position stellt sowohl die Bild-Repräsentanz als auch die Daten-Repräsentanz eine vollständige Rechnung dar und enthält alle Pflichtangaben nach § 14 Abs. 4 UStG. Eine physische Datei enthält genau eine Bild-Repräsentanz und genau eine Daten-Repräsentanz. Diese Prinzipien werden in dem ZUGFeRD-Format umgesetzt.

Derzeit wird kontrovers diskutiert, ob seitens der Verwaltung hybride Rechnungen akzeptiert werden sollen und insbesondere, ob der Empfänger einer hybriden Rechnung dazu verpflichtet ist, Bild und strukturierte Daten einer hybriden Rechnung abzugleichen. Die aktuelle Antwort des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) ist eindeutig: „Die §§ 14 ff. UStG nebst den dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften sehen keine ausdrückliche Verpflichtung vor, die Inhalte der Formate xml und pdf abzugleichen. Der UStAE setzt allein voraus, dass der Unternehmer ein Verfahren einsetzt, um zu gewährleisten, dass nur die Rechnungen beglichen werden, zu deren Begleichung eine Verpflichtung besteht (Abschn. 14.4 Abs. 5 Satz 1 UStAE).“ Wichtig dabei ist, dass sich der Rechnungsempfänger bereits im Rahmen der Rechnungseingangsprüfung entscheidet, ob ausschließlich auf die Daten-Repräsentanz oder die Bild-Repräsentanz als umsatzsteuerliche Rechnung abgestellt wird. Diese Entscheidung ist maßgeblich für die weitere Verarbeitung der Rechnung und kann im weiteren Verlauf nicht mehr geändert werden.

Bei hybriden Formaten mit Bild-Repräsentanz und Daten-Repräsentanz handelt sich aus umsatzsteuerlicher Sicht der Finanzverwaltung (1) um sogenannte inhaltlich identische Mehrstücke ein und derselben Rechnung (siehe § 14 Abs. 4 UStG). Wenn die Inhalte jedoch entgegen der Grundintention einer hybriden Rechnung divergieren, liegt das steuerrechtliche Risiko nach § 14c UStG und auch das zivilrechtliche Risiko (2) beim Rechnungsaussteller.

Doch warum werden hybride Rechnungen eigentlich benötigt? Es könnten doch ausschließlich die strukturierten Daten übermittelt und mit Hilfe von sogenannten „Viewern“ oder auch „Stylesheets“ visualisiert werden? Stimmt, aber in diesem Fall benötigt der Empfänger eine spezielle Software, die es ihm erlaubt, strukturierte Daten zu lesen. Dabei sind heutzutage nahezu alle Teilnehmer im digitalen Geschäftsverkehr – und insbesondere auch Verbraucher – in der Lage, PDF-Dateien zu lesen. Dies hat auch der Gesetzgeber im Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/55/EU über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen (E-Rechnungsgesetz) berücksichtigt: Erfolgt die Einzahlung von Gebühren oder die Begleichung sonstiger Forderungen durch ein elektronisches Zahlungsabwicklungsverfahren des Bundes, sollen Rechnungen oder Quittungen elektronisch angezeigt werden. So werden insbesondere die Anforderungen derjenigen berücksichtigt, die noch nicht in der Lage sind, digitale Daten zu verarbeiten. Empfänger, die bereits strukturierte Daten verarbeiten können, müssen in diesem Fall jedoch die Nachteile eines Medienbruchs in Kauf nehmen. Darüber hinaus befindet sich der Großteil der Versorgungsunternehmen für Strom, Gas und Wasser in öffentlicher Hand: Von diesen werden Rechnungen zunehmend nur noch elektronisch per E-Mail oder über Kundenportale zum Download zur Verfügung gestellt. Welches Rationalisierungspotenzial würde hier verspielt, wenn all diese Rechnungen als reine Bilddateien verschickt würden?

Auf der anderen Seite ist die Sorge verständlich, dass der Empfang von hybriden Rechnungen dazu führen könnte, dass der Rechnungsempfänger das mit der Verarbeitung strukturierter Daten verbundene Rationalisierungspotenzial nicht vollständig ausschöpfen und stattdessen die Bild-Repräsentanz der Rechnung ausdrucken könnte. Hier kommen jedoch die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen ins Spiel: Zumindest wenn der Rechnungsempfänger umsatzsteuerpflichtig ist, muss er die Anforderungen der GoBD (3) erfüllen. Diesen liegt das Prinzip zugrunde, dass Rechnungen, die originär elektronisch empfangen wurden, auch elektronisch verarbeitet werden müssen. Der Ausdruck einer Bild-Repräsentanz stellt jedoch einen Medienbruch dar und wäre demnach nicht GoBD-konform.

Insbesondere ist es nicht zulässig, die Archivierung einer hybriden Rechnung mittels eines Ausdrucks der Bild-Repräsentanz vorzunehmen. Denn die GoBD konkretisieren die gesetzliche Aufbewahrungspflicht § 147 Absatz 2 AO hinsichtlich originär elektronisch eingehender Dokumente wie folgt: „Sind aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtige Daten, Datensätze, elektronische Dokumente und elektronische Unterlagen im Unternehmen entstanden oder dort eingegangen, sind sie auch in dieser Form aufzubewahren und dürfen vor Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht gelöscht werden.“ Mithin ist bei einer hybriden Rechnung neben der Bild-Repräsentanz zwingend auch die Daten-Repräsentanz originär elektronisch über die Dauer der Aufbewahrungsfrist vorzuhalten.

Rechnungsempfänger, die grundsätzlich nur strukturierte Daten verarbeiten wollen, müssen demnach die Bild-Repräsentanz zwingend mit archivieren, auch wenn diese weder verarbeitet wird noch zu steuerlichen Zwecken ausgewertet werden dürfte. Für diese Fälle wäre es von Vorteil, wenn von der zusätzlichen Aufbewahrung der Bild-Repräsentanz abgesehen werden könnte. Hierfür ist allerdings eine Klarstellung der GoBD dahingehend erforderlich, dass bei GoBD-konformer Aufbewahrung der höherwertigen Darstellung (Daten-Repräsentanz) ein und desselben Dokuments auf die Aufbewahrung der Darstellungsform mit geringeren Auswertungsmöglichkeiten (Bild-Repräsentanz) verzichtet werden kann. Solange eine entsprechende Klarstellung der GoBD seitens der Finanzverwaltung noch nicht vorliegt, muss der Rechnungsempfänger für die GoBD-konforme Aufbewahrung von hybriden Rechnungen die komplette hybride Rechnung (Bild- und Daten-Repräsentanz) weiterhin archivieren.

Auch wenn ZUGFeRD es grundsätzlich unterstützt, ein rein XML-basiertes Datenformat zu übermitteln, würde diese Variante jedoch den ursprünglichen Mehrwert der Empfängerneutralität von ZUGFeRD untergraben und damit gerade kleinere Unternehmen oder Verbraucher treffen, die regelmäßig eine Bild-Repräsentanz einfordern. Deshalb setzt sich das FeRD für eine entsprechende Klarstellung der GoBD ein.

1   BMF v. 2. Juli 2012, Vereinfachung der elektronischen Rechnungsstellung zum 1. Juli 2011 durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011, BStBl. I 2012, 726; Abschn. 14c.1. Abs. 4 Satz 5 UStAE, Stand: 27. Februar 2018.

2   Vgl. z. B. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urt. v. 28. September 2006, 12 U 46/06 (rkr.), DStRE 2007, 1453.

3   BMF v. 14. November 2014, Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD), BStBl. I 2014, 1450.

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