Die Stadtverwaltung Reutlingen sieht das Thema E-Rechnung weniger als Pflicht, sondern vielmehr als Chance, durch eine konsequente Automatisierung die „digitale Dividende“ zu realisieren. Ausgehend von einem jahrelang erfolgreich praktizierten elektronischen Beschaffungsprozess wurde nun die elektronische Rechnungsstellung umgesetzt und in den Prozess integriert. Lesen Sie hier den Erfahrungsbericht zur Erzeugung und Verarbeitung von E-Gutschriften im ZUGFeRD Format.
Digitalisierter Einkauf seit 2002
Täglich werden bei Kommunen Verbrauchsgüter wie Büromaterial, Klopierpapier, Druckerverbrauchsmaterial oder Reinigungsmittel beschafft. Dabei handelt es sich überwiegend um sogenannte C-Verbrauchsartikel, die zwar wertmäßig einen geringen Anteil an den Gesamtaufwendungen einer Verwaltung ausmachen, aber deren Beschaffung zeitintensiv ist und zulasten der eigentlichen Aufgaben der Mitarbeitenden geht, wenn die Beschaffung nicht zentral gesteuert wird. Dieser Herausforderung stellte sich die Stadtverwaltung Reutlingen bereits 2002, indem sie ihren Einkauf mit technologischer Unterstützung des E-Procurement Dienstleisters TEK-Service AG digitalisierte: Seither können knapp 250 Mitarbeitende in Verwaltung, Schulen und Kindertageseinrichtungen in einem Einkaufsportal bei 14 liefernden Stellen komfortabel Produkte aller Art bestellen. Alle für die Bestellung notwendigen Daten (Rechnungs-, Lieferadresse, Kostenstelle etc.) sowie die Kontaktdaten sind dort hinterlegt, sodass mit wenigen Klicks die benötigten Artikel bestellt werden können. Kataloge können durch die Bestellenden selbst erweitert werden, indem sie im Portal Artikelanfragen stellen, die automatisiert an die jeweilige liefernde Stelle weitergeleitet werden. Außerdem können Reklamationen über das Portal abgewickelt werden und es bietet kostenstellengenau Statistiken aller Bestellungen, was bei der alle vier Jahre anstehenden Ausschreibung von Rahmenverträgen über Verbrauchsartikel die Erstellung von Leistungsverzeichnissen enorm erleichtert.
Einführung des E-Gutschriftverfahrens
Bei der Einführung des Einkaufsportals war die Stadtverwaltung Reutlingen im Jahr 2002 Pionier und auch im Jahr 2021 beschreitet sie als eine der ersten Kommune neue Wege: Seit 1. Januar 2021 werden Leistungen von zwei liefernden Stellen per E-Gutschriftverfahren abgerechnet.
Dafür wurden im Sommer 2020 die Ausschreibungsanforderungen durch die Stadt Reutlingen um den Punkt Gutschriftverfahren erweitert. Mit der Vergabe verpflichteten sich die Liefernden von Büromaterial und Klopierpapier im Gutschriftverfahren abzurechnen. Zeitgleich wurde die verwaltungsinterne Projektion gestartet. In Absprache mit der Stadtkämmerei wurden Anforderungen an die E-Gutschrift definiert. Der E-Procurement Dienstleister richtete im Einkaufsportal einen weiteren Menüpunkt „Wareneingangskontrolle“ ein und sorgte dafür, dass im bereits vorhandenen TEK-Kontor auch E-Gutschriften erstellt werden können.
Wie wird in der Praxis über Portal und das Kontor eine digitale Abrechnungsdatei erzeugt?
Im ersten Schritt des neuen Prozesses werden verschiedene Artikel im Einkaufsportal bestellt. Deren Lieferung wird im zweiten Schritt von der bestellenden Person im Einkaufsportal bestätigt. Dabei kann sie den elektronischen Lieferschein selbstständig anpassen, falls die Ware nicht vollständig oder mangelhaft geliefert wird. Der (ggf. angepasste) Lieferschein und mit ihm alle im Einkaufsportal erzeugten abrechnungsrelevanten Daten werden durch die Freigabe automatisch an das Modul Kontor weitergeleitet. Auf Basis dieser abrechnungsrelevanten Daten ¬ also Artikel, Anzahl der Artikel, im Einkaufsportal hinterlegter Preis je Artikel usw.¬ wird im Kontor automatisiert eine E-Gutschrift generiert. Dabei handelt es sich um eine Gutschrift gemäß §14 Abs. 2 Satz 2 UStG, also eine Gutschrift zugunsten der jeweiligen liefernden Stelle. Diese elektronische Gutschrift wird im ZUGFeRD-Format per E-Mail an deren zentralen Rechnungseingang bzw. an die persönliche E-Mail-Adresse der bestellenden Person gesendet. Der Vorteil der E-Gutschrift im ZUGFeRD-Format ist, dass dieses hybride Rechnungsformat einen strukturierten Datensatz in einem PDF-Dokument integriert. So können die E-Gutschriften einfach mit einem PDF-Reader visualisiert und gedruckt werden oder aber der integrierte strukturierte Datensatz wird direkt von einer Buchhaltungssoftware verarbeitet.
Derzeit werden die E-Gutschriften von sechs Pilotämtern vom Kontor automatisch an den zentralen Rechnungseingang gesendet. Im Folgenden werden die E-Gutschriften im ZUGFeRD-Format durch den Workflow „xFlow“ in SAP importiert. Dabei werden alle Daten aus dem strukturierten Datensatz so übernommen, dass keine manuelle Erfassung mehr notwendig ist, sondern die Gutschrift mit nur wenigen Klicks sachlich und rechnerisch geprüft und zur Auszahlung freigegeben werden kann. Somit werden E-Gutschriften resultierend aus Bestellungen von 27 Mitarbeitenden der sechs Pilotämter komplett medienbruchfrei und digital verarbeitet.
Von den Bestellenden der übrigen Ämter, von den Schulen und Kindertageseinrichtungen werden die E-Gutschriften als PDF-Dokument visualisiert und ausgedruckt. Zur Auszahlung der Gutschrift wird anschließend von der bestellenden Person selbst oder einer anderen rechnungsverarbeitenden Stelle eine Auszahlungsanordnung erfasst. Nach und nach werden alle übrigen Ämter der Stadtverwaltung in den E-Rechnungsworkflow, d.h. in die komplett digitale Abrechnung, eingebunden werden. Außerdem sollen weitere Zulieferer in das E-Gutschriftverfahren eingebunden werden.
Vor- und Nachteile des E-Gutschriftverfahrens
Vom 1. bis einschließlich 3. Quartal des Jahres 2021 wurden bereits 1.200 E-Gutschriften erzeugt, die den Bestellenden direkt nach der Freigabe des Lieferscheins im Einkaufsportal zugehen. Durch die digitalen Abrechnungsdateien werden Zeit und Porto eingespart. Außerdem sichert diese schnellere Verarbeitung der Abrechnungsdatei, dass Skonto gezogen werden kann.
Ein großer Pluspunkt im Vergleich zu einer Rechnungsstellung durch die liefernde Stelle ist außerdem, dass durch die Verknüpfung des Einkaufsportals mit dem Kontor tatsächlich der Preis, der für das jeweilige Produkt im Einkaufsportal angezeigt wird, abgerechnet wird. Dabei referieren die Katalogpreise generell auf vorangegangene Ausschreibungen.
Die Mitarbeitenden der sechs Projektämter werden schon jetzt von der fehleranfälligen Routineaufgabe, Auszahlungsanordnungsanordnungen zu erfassen, entlastet. Damit wird das bisherige monotone Erfassen abrechnungsrelevanter Daten überflüssig gemacht.
Natürlich müssen die Mitarbeitenden bezüglich des neu eingeführten Abrechnungsverfahrens geschult werden, doch die Erfahrung zeigt, dass die große Mehrheit von ihnen sich bereits nach einem Monat daran gewöhnt hatte, sich bei Lieferung der bestellten Ware im Einkaufsportal einzuloggen und in der Wareneingangskontrolle den elektronischen Lieferschein freizugeben. Die Akzeptanz des neuen Verfahrens ist in Verwaltung, Schulen und Kindergärten aufgrund des einfachen Prozesses im Einkaufsportal hoch.
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